Wichtige Ergebnisse RESET
Im Rahmen der Arbeit des Forschungsverbundes wurden die folgenden Strukturen geschaffen:
- Eine gemeinsame Datenbank ermöglicht die umfassende Erfassung und gemeinsame Analyse zu Herkunft und Eigenschaften der Bakterienstämme in den erfassten Daten aller unterschiedlicher Projekte.
- Methoden zum Nachweis und zur Charakterisierung von Resistenzen vermittelt durch ESBL-Enzyme, Plasmid-vermittelte Fluorchinolonresistenz-Determinanten und Carbapenemasen wurden harmonisiert und validiert und sind wesentlich in das Standardverfahren der EFSA aufgenommen worden.
- Eine "Next Generation Sequencing" (NGS) -Pipeline zur Plasmid- und Gesamtgenom-Sequenzierung wurde entwickelt. Dies ermöglicht nicht nur eine umfassende Analyse der Lokalisation von Resistenzgenen und pathogenitätsassoziierten genetischen Strukturen (Virulenzgenen) in Plasmiden und im Bakteriengenom sondern vor allem detaillierte genetische Verwandschaftsanalysen von Isolaten verschiedenster Herkunft.
Auf Basis dieser Strukturen wurden die nachfolgend aufgeführten Erkenntnisse gewonnen:
- In einem sehr hohen Anteil der untersuchten Betriebe mit Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren (100% bei Broilerhaltung; 85% bei Schweinehaltung; 85% bei Milchvieh- und 70% bei Rindermasthaltung) wurden Proben mit ESBL- bzw. AmpC produzierenden E. coli gefunden.
- Erstmalig wurden Carbapenemase-bildende E. coli und Salmonella bei landwirt-schaftlichen Nutztieren in Deutschland gefunden.
- Auf Grundlage der gemeinsamen Stamm- und Datensammlung gelang Anfang 2016 der erstmalige Nachweis des übertragbaren Colistinresistenzgens (mcr-1) in bereits multiresistenten E. coli vom Nutztier in Deutschland.
- Erstmalig wurden mittels Gesamtgenom-Sequenzierung ein deutschlandweit verbreiteter ESBL-E. coli-Klon (ST410) gefunden, der in Tier, Mensch, Umwelt und Lebensmittel zirkuliert. Dies ist der erste Nachweis dafür, dass ein wechselseitiger Austausch von ESBL-Klonen zwischen Tier, Mensch und Umwelt stattfindet und ein gemeinsames Reservoir vorliegt.
- Unter der Behandlung von Tiergruppen mit Antibiotika kann unabhängig von der Applikationsmethode eine Verschleppung in die direkte Umgebung der Tiere stattfinden.
- Gemüsepflanzen (Weißkohl, Porree) nehmen aus Böden, die mit Antibiotika belasteter Schweinegülle gedüngt sind, in geringen Konzentrationen antimikrobiell wirksame Stoffe auf (Enrofloxacin, Tetrazykline u.a.) und lagern sie in verzehrbare Pflanzenteile ein.
- ESBL-E. coli, die zur Gülle dotiert worden sind, lassen sich noch fünfmonatiger Anbauperiode in Boden und Gemüse nachweisen.
- Auch die Exposition mit subtherapeutischen antimikrobiellen Konzentrationen, z.B. über Pflanzen, die Enrofloxacin aufgenommen haben, übt einen Selektionsdruck aus und führt in Fütterungsexperimenten mit Tieren zu vermehrt auftretenden, in ihrer Sensibilität Empfindlichkeit reduzierten bis resistenten Bakterien.
- ESBL-E. coli können auch in gänzlich unbehandelten Tiergruppen (insbesondere Mastgeflügel) mit hohen Einzeltier-Prävalenzen gefunden werden. Bei Einstallung der Tiere trotz intensiver Reinigung und Desinfektion noch vorhandene ESBL-E. coli sind hierfür die wahrscheinliche Ursache.
- ESBL-E. coli können entlang der gesamten Masthähnchen-Produktionskette beginnend von den Elterntieren bis hin in Schlachtung und Verarbeitung vertikal und pseudo-vertikal weitergegeben werden, wobei es auf den einzelnen Produktionsstufen häufig auch zu horizontalen Einträgen (Kreuzkontamination) kommt.
- Die ESBL-E. coli Kolonisationsrate lag bei gesunden Probanden bei 6,3% (2009–2012) und bei Landwirten mit Schweinehaltung bei 6,0% (2014/2015), d.h. in einer gleichen Größenordnung.
- Nosokomiale Infektionen mit ESBL-positiven Enterobakterien nehmen in Deutschland kontinuierlich zu. Zwischen 2007 und 2012 sind sie (als Anteil aller nosokomialen Infektionen mit Enterobakterien) von 11,9% auf 15,4% gestiegen.
- Es gibt regional ein heterogenes Aufkommen nosokomiale Infektionen mit ESBL-positiven Enterobakterien. So war im Zeitraum 2011/12 in den Bundesländern Nordrhein Westfalen und Thüringen ein (im Vergleich zu den anderen Bundesländern) sehr starker Anstieg zu verzeichnen.
- Die Kolonisationsrate mit ESBL-positiven Enterobakterien bei Krankenhaus-patienten liegt aktuell im Rahmen eines Aufnahmescreening bei Krankenhausaufnahme (2014-2015) bei 13%.
- Faktoren, die mit einer nosokomialen Infektion mit diesen Erregern nach rektaler Kolonisation assoziiert sind, sind Darmoperationen, Harnwegkatheterisierung, Zentraler Venenkatheter und Immunsuppression durch Steroidtherapie.
- Faktoren, die mit einer Besiedlung mit ESBL-positiven E. coli bei Krankenhaus-aufnahme assoziiert sind, sind sozio-kulturelle Verbindungen zum asiatischen Kontinent und ein hoher Schweinefleischverzehr.
- ESBL Infektionen im Krankenhaus sind assoziiert mit einer verlängerten Liegedauer und erhöhten Krankenhaukosten sowie mit einer erhöhten Krankenhaussterblichkeit.
- Ergebnisse der molekularen Charakterisierung der Plasmide, die ESBL- und/oder PMQR-Gene tragen und der Untersuchungen zur genetischen Verwandtschaft der ESBL- und/oder PMQR-tragenden Isolate geben Hinweise auf eine horizontale Verbreitung der entsprechenden Plasmide, aber auch auf eine klonale Verbreitung der resistenten Isolate.
- ESBL-Gen-tragende Plasmide können auch andere Gene tragen, die Resistenzen gegenüber weiteren Wirkstoffklassen (z. B. Aminoglykoside, Folsäure-stoffwechselinhibitoren, Phenicole oder Tetrazykline) oder verminderte Empfindlichkeit gegenüber Fluorchinolone vermitteln. Diese Resistenzeigenschaften deuten darauf hin, dass Co-Selektion und Persistenz von ESBL-Genen in Gegenwart anderer Wirkstoffe als β-Laktam-Antibiotika wahrscheinlich ist.
- Cephalosporin-resistente E. coli, die CMY-Enzyme bilden, kommen bei Geflügel häufig, beim Menschen dagegen selten vor. Gesamtgenom-Untersuchungen zeigten keine große genetische Ähnlichkeit der Stämme in beiden Populationen; allerdings wiesen die hohen Ähnlichkeiten der das Resistenzgen-tragenden konjugativen Plasmide auf einen Austausch dieser Plasmide zwischen E. coli in den beiden Populationen hin.
- ESBL-bildende E. coli-Stämme der klonalen Linie ST131 sind beim Menschen als Kolonisations-Keime und Infektionserreger besonders häufig, bei Nutztieren dagegen sind diese kaum zu finden. Die Selektion dieser Stämme erfolgt im humanmedizinischen Bereich.
- Der Erwerb eines β-Laktamase-Gen-tragenden Plasmids führte in E. coli in vitro Experimenten zu einer unterschiedlich ausgeprägten Fitnesslast; Stämme mit einer initial nachweisbaren Fitnesslast zeigten eine Kompensation des anfänglichen Wachstumsnachteils über die Zeit.
Die Forschungsergebnisse im RESET-Verbund verdeutlichen die sehr weite Verbreitung von ESBL-kodierenden Resistenzgenen und deren Heterogenität. Gleiche Gene können auf unterschiedlichen Plasmiden und Bakterien lokalisiert sein. Insgesamt zeigte sich, dass verschiedene ESBL-Klone das Vermögen haben, zwischen Menschen, Tieren und deren Umwelt ausgetauscht zu werden, dass aber der Anteil der Transmissionen identischer ESBL-bildender Bakterienklone derzeit noch sehr gering ist. Eine wesentlich größere Rolle scheint der genetische Austausch von Resistenzdeterminanten über Plasmide und andere mobile genetische Elemente zwischen nicht-verwandten E. coli Isolaten (horizontaler Gentransfer) zu spielen. Im Rahmen des Forschungsverbundes wurde bei der Analyse dieser Zusammenhänge der Fokus auf E. coli und Salmonella spp. gelegt. Bei der Bewertung muss allerdings beachtet werden, dass viele weitere Enterobacteriaceae-Spezies den gemeinsamen β-Laktamase Genpool speisen und am Austausch von Resistenzdeterminanten beteiligt sein können. Die Verwendung hochauflösender Analysemethoden wie Gesamtgenomvergleiche ermöglicht ein wesentlich besseres Verständnis der genauen Mechanismen und Treiber des Austauschs der die Resistenzeigenschaften kodierenden Gene zwischen Isolaten verschiedener Habitate, hinterlässt aber trotzdem eine Reihe weiterhin offener Fragen.
Daher ist zu fordern, dass forschende Institutionen und das öffentliche Gesundheitswesen bzw. der öffentliche Veterinärdienst gemeinsam Anstrengungen unternehmen, weiterhin Daten zum Auftreten von Resistenzen und deren Mechanismen zu erarbeiten und wissenschaftlich auszuwerten. Hierbei ist vor dem Hintergrund des One-Health-Ansatzes Sorge zu tragen, dass moderne molekulare Methoden bei gleichzeitiger Erfassung epidemiologischer Information simultan und harmonisiert bei Mensch, Tier und Umwelt zum Einsatz kommen und nachhaltige Monitoringsysteme etabliert bzw. ausgebaut werden, die administrativ wie wissenschaftlich nutzbar sind. Die von Seiten des RESET-Verbundes erarbeiteten Methoden bzw. die Datenbank können hierfür als Grundlage genutzt werden. Zudem sind die gemeinsam mit der Zoonoseplattform und der TMF entwickelten infrastrukturellen Prozesse und Netzwerke weiter auszubauen und zu verstetigen, da sie als wesentliche Triebfeder der Kooperation im One-Health-Kontext angesehen werden müssen.